flexitarisch, vegetarisch… vegan?

10 Apr

Nachdem Stephie bereits einen ausführlichen Beitrag zum Thema Veganismus vorgelegt hat und das Thema “Tiere essen“ bei mir erst neulich durch eine Facebook-Diskussion zum Thema „Darf man Kindern zeigen, wie ein Kaninchen geschlachtet wird?“ wieder aufgerührt wurde, finde ich es an der Zeit, meinen eigenen Standpunkt dazu mal wieder zu beleuchten. Und weil es immer einfacher ist, etwas von allen Seiten zu betrachten, wenn man es auch schriftlich festhält, landet es danach eben hier. 😉

Anders als Stephie lebe ich nicht vegan – nicht mal konsequent vegetarisch. Allerdings habe ich meinen Konsum von Tierprodukten seit ein, zwei Jahren immer weiter reduziert, und ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass ich irgendwann einmal hauptsächlich vegan leben werde.

Der erste Schritt auf meinem Weg war, einfach nur weniger Fleisch zu essen. Das war damals noch in so geringem Ausmaß, dass ich es nicht einmal als „flexitarisch“ bezeichnen möchte, und vor allem hat es für viel böses Blut gesorgt – leider. Der Grund dafür war hauptsächlich, dass meine Familie (vor allem mein Bruder) nicht mit mir zusammen auf Fleisch verzichten wollte… und ich mich jedes Mal dazu habe hinreißen lassen, wütend zu werden, wenn meine Mutter extra für ihn ein Stück Fleisch gekauft hat, wenn es etwas prinzipiell Vegetarisches zum Mittagessen gab. Wenn ich ab und zu das „fleischige“ mitesse, dann kann er doch auch manchmal einfach auf Fleisch verzichten – das war meine Logik. Ist sie eigentlich immer noch. Aber… inzwischen habe ich auch eingesehen, dass es niemandem hilft, giftspritzend und selbstgerecht durch die Gegend zu laufen. Was nicht heißt, dass ich immer Verständnis dafür aufbringe, wenn andere Leute nicht dieselben Werte vertreten wie ich – aber ich lerne, in manchen Dingen gelassener zu sein. Und es nicht als Niederlage zu sehen, wenn ich es nicht schaffe, die gesamte Tischgemeinschaft zu einer vegetarischen Mahlzeit zu bekehren.

Neben meiner reichlich angespannten Haltung gegenüber meiner Familie fällt mir, wenn ich mich an diese Zeit zurückerinnere, noch eine zweite Sache ein: Das immer wieder bemühte Argument, Fleisch sei nun mal „nötig“ für eine gesunde Lebensweise, man könnte Protein in ausreichenden Mengen nur über tierische Lebensmittel zu sich nehmen, und überhaupt – selbst wenn es ohne ginge, der Mensch sei zum Fleischfresser geboren, es wäre also „unnatürlich“, ihm das Fleischessen zu „verbieten“. Meine Meinung dazu?
Jein.

Zunächst einmal zum ersten Punkt: Es ist definitiv Quatsch, dass man sich nicht auf Dauer fleischlos ernähren kann. Proteine sind auch in vielen anderen Lebensmitteln enthalten, Hülsenfrüchten zum Beispiel, und obwohl ich mich noch nicht ausführlich mit dem Thema beschäftigt habe, weiß ich, dass es jede Menge Ratgeber und Hilfen gibt, um die Ernährung auf gesunde Art und Weise umzustellen.

Und zum zweiten Punkt? Das ist der eigentliche Grund, warum ich „Jein“ schreibe und die Argumentation nicht völlig in den Wind schreibe. Denn hier stimme ich weder mit der „Fleischfresservariante“ überein, noch kann ich vollständig dem zustimmen, was von Vegetarierseite oft ins Feld geführt wird. Grundsätzlich finde ich, hier wird das Argument, was „natürlich“ ist, allzu schnell herbeigezogen, um den eigenen Standpunkt zu untermauern.
Leute, die gern Fleisch essen, sagen deshalb: Der Mensch hat schon immer Fleisch gegessen, schon, als wir noch in Höhlen gehaust haben, haben wir Tiere gejagt und uns von ihnen ernährt, das ist normal, es ist widernatürlich, es nicht zu tun.

Vegetarier setzen dem entgegen, der Mensch sei schließlich am engsten verwandt mit bestimmten Affenarten, die sich ausschließlich pflanzlich ernähren, es läge also in der Natur des Menschen, das ebenso zu halten.

Und was fällt dabei auf? Beide Argumentationen haben ihren wahren Kern, lassen sich gegeneinander ausspielen, aber auch nebeneinander stellen, und keine hat dabei mehr recht als die andere. Besser gefällt mir da schon eine andere Argumentation von Vegetarierseite: Aus der Tatsache, dass etwas „schon immer so war“ oder „von Natur aus so und so eingerichtet ist“, ergibt sich noch nicht, dass es auch moralisch richtig ist. Menschen haben „schon immer“ Kriege geführt, deshalb wünschen wir uns trotzdem alle, das würde aufhören. Menschen sind „von Natur aus“ keine Wesen, die sich über tausende von Kilometern hinweg verständigen können oder fliegend von A nach B kommen – deshalb nutzen wir trotzdem gerne und ausführlich Telefon und Flugzeug.
Wenn wir also akzeptieren, dass Tiere lebende, fühlende Wesen sind, wäre die moralisch richtige Entscheidung, sich nicht nach der „Natur“ zu richten, sondern sich dafür zu entscheiden, keine Tierprodukte mehr zu essen.

Na schön.

Was mich daran stört, ist lediglich der Anspruch, zu wissen, was das einzig Richtige ist. Das finde ich genauso überzogen wie die Argumentation, Sklaverei hätte man ja früher auch gutgeheißen, und in ein paar Jahren oder Jahrhunderten würde die Menschheit schon einsehen, dass es genauso moralisch verwerflich ist, Tiere als „Sklaven“ des Menschen zu betrachten. Meiner Ansicht nach müssen wir da zwischen zwei verschiedenen Arten der Moral unterscheiden: derjenigen, die sich auf andere Wesen erstreckt, die genauso in der Lage sind, diese Werte nachzuvollziehen und die damit verbundenen Rechte für sich einzufordern – und derjenigen, die sich auf andere Lebewesen bezieht, die aber mit unserer menschlichen Auffassung von Moral nichts am Hut haben. Das Problem mit dem Vergleich zwischen Sklaverei und Tierhaltung ist nämlich, dass Menschen – ob als Sklaven betrachtet oder nicht – grundsätzlich in der Lage sind, sich über Recht und Unrecht Gedanken zu machen und dazu eine Ansicht zu entwickeln. Tiere sind das, nach unserem Wissensstand, nicht. Und selbst, wenn wir eines Tages herausfinden, dass Tiere ihre eigene „Moral“ kennen, heißt das noch nicht, dass sie mit unserer übereinstimmt. Wir können also allgemein bindende Normen nur innerhalb unserer eigenen Spezies „feststellen“.

Das heißt nicht, dass ich nicht glaube, dass es auch „allgemeine“ moralische Normen gibt, die sich mit dem Umgang mit Tieren befassen, und die jedem Menschen einleuchten sollten. Ich sage aber bewusst: sollten.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass es niemanden gibt, der es aktiv befürwortet, Tiere auf engstem Raum zusammenzupferchen, zu quälen und ihr ganzes, kurzes Leben lang leiden zu lassen. Und ich glaube auch, dass es gesellschaftlich möglich sein sollte, Regeln zu erlassen, die genau das verbieten.

Aber die Frage, ob Menschen Fleisch essen sollten oder nicht?
Das bleibt eine, die jeder für sich selbst beantworten muss.

Meine erste Motivation, meinen Fleischkonsum zu senken, war, dass ich erfahren habe, wie katastrophal sich massenhafte Tierhaltung – vor allem von Rindern – auf das Klima auswirkt. Nur ein paar Fakten, die der WWF zusammen getragen hat: weltweit trägt die Landwirtschaft etwa 14 Prozent zum Gesamtausstoß an Treibhausgasen bei, genauso viel wie der Verkehr (und da denken wir immer, Autofahren wäre eine der größten Klimasünden, die man begehen kann…). Bei Methan und Lachgas liegt der Prozentsatz sogar bei 50 bzw. 70 Prozent – dabei ist z.B. Methan ein etwa 25 bis 33 mal wirksameres Treibhausgas als CO2.

Es stimmt, dass nicht alles davon auf Tierhaltung zurückzuführen ist, aber sie macht doch einen großen Posten aus.

Das war immer noch der wichtigste Grund für mich, auf Fleisch zu verzichten, als ich vor einigen Monaten zuhause ausgezogen bin und beschlossen habe, von nun an vegetarisch zu leben. Es ist nicht ganz dabei geblieben. Aber immerhin kann ich mich nicht erinnern, in meiner neuen Wohnung – wo ich die meisten meiner Mahlzeiten zubereite, in die Mensa gehe ich eher selten – jemals Fleisch zubereitet zu haben. Moment, das stimmt nicht ganz – einmal habe ich Speck gekauft, um für die Weihnachtsfeier am Orientalischen Seminar Datteln im Speckmantel zu machen. Also gut, einmal habe ich Fleisch im Haus gehabt. 😉

Während mein erster „Deal“ mit mir selbst war, immer, wenn ich auswärts esse, vegetarisch zu bestellen, und ich in einer Übergangszeit dieses Verhältnis umgedreht habe – zuhause vegetarisch, auswärts auch mal Fleisch – greife ich in letzter Zeit meistens in beiden Fällen zu vegetarischen Gerichten.

Gelegentliche Heißhungerattacken, bei denen ich ein saftiges Steak oder einen leckeren Döner bestelle, treten aber trotzdem auf.

Oder vielleicht sollte ich sagen… traten auf. Denn obwohl ich auch in letzter Zeit noch manchmal Heißhunger auf Fleisch hatte, gewinnt für mich mehr und mehr an Bedeutung, unter welchen Bedingungen dieses Fleisch „produziert“ wurde. Nicht, dass ich früher ein Fan von Massentierhaltung war – aber ich schätze, ich habe das Problem verdrängt. Nachdem es sich jetzt in den Vordergrund schiebt, ist die Motivation, völlig fleischlos zu leben, wieder stärker, und ich lebe zur Zeit vegetarisch.

Und was macht nun das „…vegan?“ im Titel meines Beitrags?

Das ist eine Frage, die ich seit einigen Tagen mit mir herumschleppe. Kann – und will – ich vegan leben? Ich KANN es sicherlich, wenn ich es genug WILL. Und je mehr ich zu diesem Thema höre – ich muss zugeben, Stephies Einwand zur Milchindustrie hat mich ins Grübeln gebracht, genauso wie ein Bericht über „Freilandhaltung“ bei Hühnern, die in dem Fall, über den berichtet wurde, in einem winzigen Streifen „Freiland“ für Heerscharen von Hühnern bestand – desto mehr macht es für mich Sinn, auch auf andere Tierprodukte als nur auf Fleisch zu verzichten.

Aber heißt das, dass ich mein Leben lang nie wieder eine Mahlzeit essen werde, die von einem Tier stammt? Mit Sicherheit nicht. Ich schätze den Geschmack von Schwarzwälder Schinken oder von Rührei viel zu sehr, um mir solche Genüsse bis in alle Ewigkeit zu verbieten.

Worüber ich momentan nachdenke, ist, in welchen Grenzen ich sie mir noch erlauben will.

Eine Antwort to “flexitarisch, vegetarisch… vegan?”

  1. stepheph 10. April 2011 um 13:21 #

    Ich zögere oft, mich als „Veganer“ zu bezeichnen, weil ich nicht das Gefühl habe dem Begriff gerecht zu werden. Wenn ich wahrlich konsequent wäre, würde ich nicht die Berge von Eiernudeln essen, die ich zum Geburtstag geschenkt bekommen habe. Und als es in meinem Elternhaus veganes und omnivores Chili gab, muss ich gestehen dass mein Näschen und Löffelchen doch mal im falschen Topf steckte!
    Dass ein paar Löffel fleischliches Chili verschwunden ist wird nun meine Mutter nicht veranlassen mehr zu kochen… nur könnte es sein dass meine Familie zusätzlich etwas anderes konsumiert.
    Es geht mir mit meinem Veganismus auch darum, den Konsum an der Wurzel zu fassen und eben die Nachfrage zu vermindern damit weniger produziert wird. Ich muss auch zugeben dass, wenn ich nun bei einem Spieleabend mit Freunden bin, meine Hand auch in den Nicht-veganen Snacks steckt. Ich könnte jetzt zwar argumentieren „es ist ja jetzt eh schon gekauft“, aber auch dass es weniger schnell aufgebraucht würde, würde ja dazu führen dass meine Freundin dann weniger schnell etwas nachkaufen würde. Ich muss mich noch im Wille üben, wie du Rebecca 😉
    Zuhause esse ich auf jedenfall veganer als woanders.
    Das einzige Fleisch, dass ich bisher zubereitet habe, war einmal ausnahmsweise das gekaufte für meinen Freund. Eier kaufe ich eigentlich überhaupt nicht mehr und benutze Sojamehl als Ersatz (neulich erst Pfannkuchen damit gemacht), oder etwas anderes (darüber müsste mal eine Versuchsreiche+Blogeintrag machen), z.B. Öl (als Bindemittel), oder Banane würde auch gehen.
    Ich schätze an Sojamilch (vor dem Öffnen), Sojaschnetzel und Sojamehl auch, dass sie lange und ohne Kühlung aufbewahrt werden können. Ich bin immer sehr nervös dass meine Lebensmittel ablaufen…

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